Am 31. Oktober 1999 unterzeichneten der LWB-Präsident Christian Krause und Kardinal Edward Idris Cassidy, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, in der evangelisch-lutherischen Kirche St. Anna in Augsburg die Erklärung
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Ökumene
Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
Bischof Christian Krause, der damalige Präsident des Lutherischen Weltbundes und von Kurienkardinal Edward Cassidy setzten ihre Unterschrift auf die „Gemeinsame offizielle Feststellung“. Es lag ein langer Weg der bilateralen Dialoge hinter den unterzeichnenden Kirchen: Annäherungen, die erst durch das Zweite Vatikanische Konzil möglich geworden waren; intensive Studienarbeit in mehr als drei Jahrzehnten der Dialoge; Aufarbeitung der Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts. Der Widerstand der 141 evangelischen Hochschullehrer aus Deutschland hatte das „Projekt“ nicht zum Erliegen gebracht.
Endlich konnten Lutheraner und Katholiken feierlich bekunden, dass in der Frage der Rechtfertigung des Sünders aus Gnaden durch den Glauben kein Dissens mehr bestehe. Zentral heißt es in der Gemeinsamen Erklärung: „Wir bekennen gemeinsam, dass der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die Freiheit, die er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt besitzt, ist keine Freiheit auf sein Heil hin. Das heißt, als Sünder steht er unter dem Gericht Gottes und ist unfähig, sich von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden. Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade.“
Auch wenn Eberhard Jüngel davon ausging, dass die Übereinkunft keinerlei praktische Auswirkungen haben würde, kann man heute sehen, dass es kaum eine größere ökumenische Veranstaltung gibt, die nicht in irgendeiner Weise darauf verweist, dass mit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre eine maßgebliche Barriere aus dem Weg geräumt wurde. Nicht zuletzt gilt dies für das gemeinsame Reformationsgedenken in Lund am 31. Oktober 2016 unter der Überschrift „Together in Hope“. Es stand auf dem Fundament der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre und wäre ohne diese nie zustande gekommen. Rechtfertigungslehre und Ablasspraxis waren in der Reformationszeit die Sollbruchstellen der Einheit der Kirche des Westens. Dass ausgerechnet diese Differenzen differenziert aufgearbeitet wurden und nun ihre kirchentrennende Wirkung verloren haben, war schon 1999 ein Grund zur Freude und ist es auch heute noch. Denn: Wer hätte das gedacht? – Seither sind gerade diese Differenzfragen zum gemeinsamen Gut einer breiten Basis kirchlicher Traditionen geworden. Bereits 2006 schloss sich der Weltrat methodistischer Kirchen der GER an; 2017 folgten die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen und die Anglican Communion.
28.10.2024
Maria Stettner